
06.08.2014 || "Ich mag Klischees", bekennt Sarah Bosetti, um lächelnd hinzuzufügen, "besonders wenn man sie als solche erkennt". Die Berliner Lesebühnenkünstlerin hat sich dem Kampf mit und gegen Klischees verschrieben. Ihre Waffen sind bissiger Humor mit aufklärerischem Mehrwert und Engagement über die Lichtkegel der Spotlights hinaus. Ihr Episoden-Roman "Wenn ich eine Frau wäre" liest sich als hintersinnige Screwball-Comedy, die Sinn fürs Absurde, augenzwinkernde Ironie und Mut zum Slapstick zusammen bringt.
Literatur mitten im Leben
Für Sarah Bosetti hat Literatur einen festen Platz im Leben. Die dreißigjährige Berlinerin kam nach dem Film-Studium aus Brüssel in die deutsche Hauptstadt. Dem Marathon unbezahlter Praktika wollte sie sich nicht aussetzen und fand rasch einen Weg ihre Leidenschaft für das Erzählen von Geschichten mit erfüllender beruflicher Perspektive zu verbinden: Bosetti fand ihre Heimat auf Lese- und Poetry-Slam-Bühnen.
Dass Kunst im Elfenbeinturm stattfinde und wenig mit der Lebenswirklichkeit zu tun habe, dürfte angesichts Bosettis Engagement als Klischee entlarvt sein. Ihre Begeisterung für Literatur als kreatives Instrument des Ausdrucks trägt die Künstlerin in Workshops an Schulen und Hochschulen. Ihr geht es darum Schreiben als Selbsterfahrung zu vermitteln, die Spaß macht. „Wenn einer der Jugendlichen sein Talent entdeckt, hat sich ein Workshop gelohnt“.
Team-Work auf der Bühne
Ein weiteres Klischee besagt, dass nur Literatur unterrichte, wer selbst nicht schreiben könne. Nicht nur Sarah Bosettis Debüt-Roman beweist das Gegenteil. Gemeinsam mit Freund Daniel Hoth ist sie amtierende deutsche Poetry Slam-Vizemeisterin im gemischten Doppel. Das Unmittelbare, Kommunikative und Emotionale an Bühnen-Literatur fasziniert Bosetti, die als Botschafterin der Bühnenliteratur ihre Kunst auch ins klassische Kabarett bringt. Ihre Erfahrungen in fremdem Terrain sind überaus positiv. Abwechslung wisse schließlich jeder zu schätzen und wer behaupte, dass eine junge weibliche Perspektive im Kabarett keinen Platz habe, der unterschätze die ältere Generation.
Wie wichtig Sarah Bosetti Eigeninitiative und der Mut neue Wege zu beschreiten sind, lässt sich auch daran ablesen, dass sie mit ihrem Freund und drei weiteren Bühnenkünstlern eine eigene Lesebühne gegründet hat: Seit 2010 tragen die "Couchpoetos" jeden Monat neue Texte vor. Privates und Berufliches geht im Haushalt Bosetti, den im echten Leben wie in ihrem Debütroman Freund und Hund komplettieren, problemlos zusammen. Die Inspiration für ihre Literatur schöpft sie aus dem großstädtischen Leben.
Furiose Künstlergeschichte, humoristische Frauenliteratur
Im Episodenroman „Wenn ich eine Frau wäre“, den Satyr heuer in erweiterter Auflage neu auflegt, bildet „Frau Bosetti“ mit Freund und Hund einen chaotischen Künstlerhaushalt. Die liebenswerten Lebenskünstler veredeln nicht nur ihren Alltag mit Aktionen, die eher Kunstwillen als Vernunftgründen gehorchen. Ständig pleite suchen ihre Helden nach Möglichkeiten, ihren kreativen (Un-)Sinn in Geld zu verwandeln. Dabei wird die Berliner Kunstboheme ebenso durch den Kakao gezogen, wie althergebrachte Geschlechterklischees. Bankangestellte und Brusthaare, Kurt Cobain und in Kunstperformances gestohlene Gebraucht-Toupets markieren die Stationen auf der Suche nach dem Glück, die Um- und Abwege kennt, aber dank Tugenden wie Selbstironie und der richtigen Portion Wahnsinn, die den Alltag zum Erlebnis veredelt, nie ins Abseits führt.
Ihre Sätze sind kurz und knackig, kleine Pfeile, die sie auf ihre Zielscheibe abfeuert: Klischees, denen jedermann und besonders -frau allenthalben begegnet, „auch wenn es heute heißt, dass Frauen rülpsen dürfen“, wie sie mit besonders ernster Miene verkündet. Frau zu sein findet sie „ziemlich ok“, auch wenn sie nicht „rund um die Uhr die Frau in sich entdeckt, oder was immer man da so macht“. Das Klischee, dass es Frauenliteratur im Spannungsfeld zwischen feministischer Ernsthaftigkeit und possierlicher Unterhaltung an echtem Humor fehle, erledigt sich beim Lesen von Sarah Bosetti im Seitenumdrehen. Das gelingt ihr mit spitzzüngiger Literatur, die sie in schnippischem Ton auf die Bühnen bringt. Durchkreuzte Erwartungen und überraschende Wendungen bestimmen die Dynamik der Texte.
"Wenn ich eine Frau wäre" ist eine turbulente Großstadtgeschichte voller Selbstironie und Sinn fürs Absurde. Schnell, witzig und im Kern hart aber herzlich. Ihren weiblichen Sinn für Romantik - noch so ein Klischee - zelebriert Sarah Bosetti natürlich auch: Selten hat man Liebende so hingebungsvoll vor der Kloschüssel hocken sehen...
Foto: Satyr Verlag
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